Dr. Jeanine Elif Dagyeli

Stipendiatin 07/2008 - 09/2008
Verteidigung am: 15.12.2008
Prädikat: magna cum laude
Dissertationsprojekt: Die mittelasiatische Handwerker-risala
betreut von Prof. Dr. Jürgen Paul, Prof. Dr. Baldauf
Gefördert von der VolkswagenStiftung
"Zwischen Europa und Orient - Mittelasien/Kaukasus im Fokus der Wissenschaft"
Projektdauer: 01.01.2005 - 31.12.2007
Projektleiterin: Dr. habil. Ildikó Bellér-Hann
Projektbearbeiterin: Jeanine Elif Dagyeli
Die Handwerker-risala ist ein bekanntes Element der "traditionellen Arbeit". "Handwerk" im Sinn der Texte schließt landwirtschaftliche Tätigkeit ein, so dass der entsprechende Ausdruck eigentlich "Erwerbstätigkeit" ist. Die sehr unterschiedlich umfangreichen Texte stammen aus den mittelasiatischen früheren Sowjetrepubliken, aus dem Autonomen Gebiet Xinjiang der Uighuren in der Volksrepublik China und dem nördlichen Afghanistan. Die bekannten Exemplare stammen hauptsächlich aus dem 19. Jahrhundert und den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Gattung in ihrer Gesamtheit ist noch nicht untersucht worden. Es ist ebenfalls unklar, wann und auf welche Weise sie in den verschiedenen Staaten außer Gebrauch kam.
Die Texte geben Auskunft über den Schutzpatron des jeweiligen Handwerks, sie sind Garantie dafür, dass die ausgeübte Tätigkeit im religiösen Sinn erlaubt ist usw. Informationen über die technische Seite der Produktion sind eher selten anzutreffen. Wohl aber erlauben die Texte Schlüsse auf die Sicht der Arbeit z.B. anhand der Terminologie oder der in ihnen ausgedrückten Hierarchie der Wertschätzung bestimmter Branchen. Weiter können die Texte Aufschluss über die soziale Organisation der Arbeit geben, so etwa über die Hierarchie der Tätigen, der Ausbildung usw.
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR (und in gewisser Weise seit dem Ende der Kulturrevolution in der VR China) ist in den entsprechenden Ländern eine Rückbesinnung auf "Tradition" unverkennbar. Hierzu gehört auch eine gewisse Traditionalisierung des Handwerks. Das Projekt widmet sich einigen Aspekten der Frage nach der "Tradition" in Mittelasien. Im Kontext vor allem der UdSSR und Xinjiangs (Afghanistan kommt nur für die historische Forschung in Betracht) sind die örtlichen Formen der Weitergabe von Wissen und Handeln teilweise mehrfach politisch gebrochen. Dies relativiert den Begriff der "Tradition" weiter: Wenn heute etwa in Usbekistan an eine "Tradition" angeknüpft werden soll, in welche Periode werden die entsprechenden Handlungen dann projiziert: in die Zeit vor der Oktoberrevolution oder in die Zeit vor der russischen kolonialen Durchdringung? Haben Produktionstechniken und Organisationsformen des Handwerks, aber auch Formen der Weitergabe des Wissens sowie die Rede über Arbeit überhaupt lokal authentisch überleben können?
Das Thema eignet sich als sozialgeschichtliche Fallstudie der Wahrnehmung von Produktion und Arbeit. Das Projekt nimmt sich vor, die Texte selbst, ihre Geschichte und ihr Funktionieren im sozialen Kontext ebenso wie die entsprechenden Veränderungen in der Organisation der handwerklichen Produktion zu untersuchen. Es verbindet dabei die Methoden der Philologie, der Geschichtswissenschaft und in gewissem Maße der Ethnologie.
Akademischer Werdegang
seit 2009 | Stipendiatin der Gerda-Henkel-Stiftung mit dem Forschungsprojekt "Arbeit und Ritual - eine sozialhistorische Untersuchung von Dienstleistungsgruppen im Bereich der Begräbnisrituale"; Koordinatorin des Projektes zur Erstellung eines digitalen Handschriftenkatalogs am Beruni-Institut in Taschkent bei der Gerda-Henkel-Stiftung |
15.12.2008 | Verteidigung der Doktorarbeit : "Die mittelasiatische Handwerker-risala" |
07/2008–09/2008 | Stipendiatin der GS SCM |
seit 01.01.2005 | Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Orientwissenschaftlichen Zentrum der Martin-Luther-Universität Halle - Wittenberg |
01.01.2005 | Magister Artium am Zentralasienseminar der Humboldt-Universität zu Berlin über Volksmedizin in Kyrgyzstan |
2001 | Lektorin für Tajikisch am Zentralasienseminar der Humboldt-Universität zu Berlin |
2000 | Forschungsprojekt im Rahmen des ASA-Programmes der Carl-Duisberg-Gesellschaft in Kyrgyzstan zu Filzteppichproduktion |
1998-1999 | Studentische Hilfskraft am Zentrum Moderner Orient in Berlin |
seit 1998 | Langzeitstudie zu islamischen Fernsehprogrammen im Offenen Kanal (Ergebnisse werden voraussichtlich November 2006 veröffentlicht) |
1997-1998 | Teilnahme an einem interdisziplinären Forschungsseminar zu muslimischem Leben in Berlin |
1996 | Studium der Mittelasienwissenschaft und Islamwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin |
Publikationen
- "Life is in the Pattern: Symbolisms and Discourse in Kyrgyz Felt Carpets", in: Ute Pietruschka und Michael P. Streck in Verbindung mit Beate Eschment: Symbolische Repräsentation und Wirklichkeit nomadischen Lebens. Wiesbaden: Reichert Verlag 2010, S.57-78.
- Gott liebt das Handwerk. Zu Inhalt und Rezeption der mittelasiatischen Handwerker-risâla. Wiesbaden: Reichert Verlag, 2011.
- »Islamische Kommunikation und das Sprachproblem in der Migration - welche Sprache spricht die ’umma in Deutschland?« in: Bentzin, Anke, Jeanine E. Dagyeli, Ayfer Durdu und Riem Spielhaus (Hg.): »Islam auf Sendung. Islamische Fernsehprogramme im Offenen Kanal.« Berlin, 2006.
- »Jugendarbeit in Berliner Moscheen« in: Spielhaus, Riem und Alexa Färber (Hg.): »Islamisches Gemeindeleben in Berlin«. Schriftenreihe des Beauftragten für Integration und Migration in Berlin. Berlin, 2006.
- »Aleviten - eine Glaubensgemeinschaft aus der Türkei« in: Spielhaus, Riem und Alexa Färber (Hg.): »Islamisches Gemeindeleben in Berlin«. Schriftenreihe des Beauftragten für Integration und Migration in Berlin. Berlin, 2006.
- »Altersstruktur und altersspezifische Angebote« in: Jonker, Gerdien und Andreas Kapphan (Hg.): »Moscheen und islamisches Leben in Berlin«. Die Ausländerbeauftragte des Senats. Berlin, 1999.