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Grußwort von Dr. Gerhard Wünscher

Kultusministerium Sachsen-Anhalt

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Herr Minister Prof. Olbertz hat mich gebeten, Ihrer Bitte nach einem Grußwort anlässlich der offiziellen Eröffnung des Graduiertenzentrums Afrika und Asien in globalen Bezugssystemen zu entsprechen.

Ich freue mich, diese Aufgabe übernehmen zu können. Nicht, weil ich Artigkeiten über die Bedeutung der Geisteswissenschaften im Allgemeinen und der Orientwissenschaften im Besonderen in einem Grußwort mitteilen wollte und nicht weil ich der Versuchung erliegen möchte, einen Aufschwung der Orientwissenschaft in Halle mit Nine / Eleven in Verbindung zu bringen. Es bietet mir vielmehr die Möglichkeit, das zu würdigen und einzuordnen, was hier durch Ihre Leistungen, Ihr Kooperationsvermögen entstanden ist und was - das ist vielleicht das Durchsichtig-Listige meiner Antizipation - entstehen könnte, wenn der Weg der Schwerpunkbildung konsequent weiter verfolgt wird.

Natürlich ist dabei die Situation der Geisteswissenschaft allgemein zu reflektieren und Sie werden - davon gehe ich fest aus - Zusicherungen zur Verstetigung der Förderung hören wollen.

Als an anderer Stelle noch darüber debattiert wurde, ob die Schwerpunktbildung - eine bevorzugte Form der Kooperation - den Geisteswissenschaften mit der Tendenz zur individuellen Einzelleistung überhaupt angemessen ist und nicht doch lieber den ohnehin konkurrenzlos besser gestellten Naturwissenschaften überlassen bleiben sollte, stieß das Angebot des Kultusministeriums, einen Schwerpunkt in den Geisteswissenschaften zu fördern, bei Prof. Leder auf Resonanz.
Den Vorteil sahen beide Seiten:

  • Das Kultusministerium hatte Interesse, die etwas karg bedachten und von der Hochschulstrukturplanung stark tangierten, in Halle aber profilbestimmenden Geisteswissenschaften zu unterstützen und zu zeigen, dass die vorgeschlagenen Strukturmaßnahmen auch bei den Geisteswissenschaften funktionieren.
  • Die Geisteswissenschaften ihrerseits konnten längst gehegte, an der Knappheit der Mittel bisher gescheiterten Pläne verwirklichen.

Das ist die klassische Konstellation, in der eigentlich Beutegemeinschaften begründet werden. Opportunität allein hätte dem Schwerpunkt aber nicht diesen Antrieb verleihen können. Hier war Potential für mehr vorhanden und die Situation war reif für solche Aktivitäten:

  • Nun ist ein leistungsstarkes, 2005 ex ante hervorragend begutachtetes Graduiertenzentrum begründet worden.
  • Die Universität hat sich nicht zuletzt mit dieser Vorarbeit an der Exzellenzinitiative beteiligen können.
  • Das Thema Asien und Afrika in globalen Bezugssystemen birgt nach meiner Wahrnehmung eine enorme Verheißung, ausreichend für ein ganzes Forschungscluster, das sicher peu a peu entstehen wird. Dabei wird der Gefahr zu entgehen sein, unter dieser großzügig gewählten Überschrift, nur oberflächlich wissenschaftliche Kontakte zu vermitteln, anstatt den interdisziplinären Austausch darüber zu forcieren, was im Fach, auf diesem Gebiet der Stand der Forschung ist. Es ist so zu verfahren, wie es der Wissenschaftsrat jüngst in seiner Stellungnahme zu den Geisteswissenschaften 1 empfohlen hat.

Dieses Graduiertenzentrum entspricht im Übrigen in bester
Weise den Intentionen der Exzellenzoffensive des Landes 2,
die 2004 ausgerufen wurde:

  • Stärken durch Kooperation bündeln und sichtbar werden lassen - Gibt es dazu eine Alternative?
  • Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in strukturierter Form - Dieses Graduiertenzentrum ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel.
  • Auf die Schwerpunktbildung abgestimmte Berufungen - Hier gibt es sicher noch von Verteilungskämpfen überdeckte Reserven.
  • Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen - Es ist eben kein Zufall, dass diese Zusammenkunft hier im Max-Planck- Institut für ethnologische Forschung stattfindet.

Das Kultusministerium legt zwar Wert auf die Feststellung, dass das Programm zur Förderung der Forschungsschwerpunkte / Exzellenzoffensive 2004 schon lange vor der Ausschreibung der Exzellenzinitiative des Bundes auf den Weg gebracht wurde, aber dabei wurden schon die sich abzeichnenden Anforderungen, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, fächerübergreifende Kooperation etc., berücksichtigt.

Da waren Hoffnungen, dass sich Sachsen-Anhalt mit der landesinternen Exzellenzoffensive einen kleinen Vorteil im bundesweiten Wettbewerb verschafft haben könnte; dem war nicht so, dem war noch nicht so, müsste Verpflichtung artikulierend hinzugefügt werden.
Das Gefälle entlang der Linie Nord-Ost / Süd-West ist natürlich auf Dauer inakzeptabel. Aber: Keine Gutachterschelte! Die Maßstäbe internationaler Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit müssen zur Kenntnis genommen und zur Grundlage des Handelns gemacht werden. Das Förderkonzept des Landes weist mit der Schwerpunktbildung den Weg. Maßgeblich sind dabei die wissenschaftsinternen Aktivitäten der Wissenschaft wie Strukturentwicklung, Qualitätssicherung und Leistungsdifferenzierung.

Sachsen-Anhalt hat sich mit den fünf abgelehnten Bewerbungen in guter Gesellschaft befunden, trösten kann das aber nicht. Es hat kritische Nachfragen im politischen Raum zu den Ergebnissen gegeben; die wird es immer wieder geben. Letztlich muss das Wissenschaftssystem des Landes mit den Schwerpunkten internationale Sichtbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit erreichen.

Die Exzellenzoffensive des Landes stand gleichwohl zu keinem Zeitpunkt auf dem Spiel. Die Koalitionsvereinbarung lässt in dieser Hinsicht an Klarheit nichts vermissen; da heißt es:

(Es)sind diejenigen Wissenschaftsfelder und Cluster besonders zu entwickeln, in denen internationale Spitzenleistungen erbracht werden. …. Die in der bestehenden Exzellenzoffensive benannten Schwerpunkte sind fortzuführen. … Zur Stützung dieser schwerpunktbezogenen und vernetzten Spitzenforschung muss die Exzellenzoffensive fortgeschrieben und in einem Rahmenvertrag für Forschung und Innovation verankert werden. ….Daneben sind auch innovative Einzelprojekte zu fördern, um neue Wissenschaftsentwicklungen zu ermöglichen.
Befürchtungen, dass die Politik von der Notwendigkeit langfristiger Förderungen noch überzeugt werden müsste, sind unbegründet. Es ist eher zu fragen, wie sind denn Universität, Schwerpunkte und beteiligte Fakultäten darauf vorbereitet, intern solche Möglichkeiten langfristiger Entwicklung in strategischer Weise zu nutzen:

  • Struktur- und Entwicklungspläne zu generieren, die diesen Namen verdienen und diese mit den kooperierenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen abzustimmen 3;
  • Berufungen zugunsten von Schwerpunkten langfristig zu planen und diese aus den fakultätsinternen Auseinandersetzungen herauszuhalten;
  • Für den wissenschaftlichen Nachwuchs in den Schwerpunkten Arbeitsverträge hinsichtlich von Laufzeit und Dotierung anzubieten, die die Besten aus dem internationalen Raum zu verpflichten erlauben.

Das ist deshalb festzustellen, weil den Schwerpunkten weit reichende Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden müssen und die Möglichkeiten dazu vor allem innerhalb der Universität liegen. Natürlich muss zusätzlich finanziert werden, aber das ist letztlich Flankierung einer konsequenten wissenschaftsintern zu verfolgenden Strukturpolitik.

Universität und Land haben gemeinsam - in verlässliche Arrangements eingebettet - langfristige Strategien zu verfolgen. Das ist die beste Voraussetzung für die Wissenschaft und deren verlässliche Finanzierung werben zu können. Der Lissabon- Prozess, der die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichtet, 3 % des Brutto- Inlandsproduktes für Forschung und Entwicklung einzusetzen, verschafft der Wissenschaftspolitik momentan erheblichen Rückenwind. Damit wird die Wissenschaft aber auch auf Leistung, Qualität und gesellschaftliche Relevanz verpflichtet. Dem hat auch die Geisteswissenschaft zu entsprechen. Dabei geht es doch längst nicht mehr um die Rolle, die den Geisteswissenschaften in einer kompensatorischen Kultur zugedacht worden war. Geisteswissenschaften sind auch keine Orientierungswissenschaften. Orientierung - die für die Gesellschaft - ist keine wissenschaftliche Aufgabe - so das kürzlich verabschiedete Manifest der Geisteswissenschaften 4 - aber eine Aufgabe, an deren Lösung der wissenschaftliche Verstand beteiligt sein sollte. Daraus erwächst die Verpflichtung der Geisteswissenschaften für die Gesellschaft.

Nicht zuletzt im Graduiertenzentrum, das Nachwuchswissenschaftler ausbildet und in Kontakt bringt liegen die Keimzellen für neue Formen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Auch diese Chance, lieber Herr Prof. Paul, müssen Sie mit Ihrer Mannschaft wahrnehmen. Das ist eine Aufgabe mehr, bei deren Erledigung ich Ihnen und Allen am Graduiertenzentrum viel Glück wünsche.

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  2 Im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation von Bund und Ländern sind die die außeruniversitären Forschungseinrichtungen tragenden Wissenschafts- organisationen Selbstverpflichtungen zu stärkerer Kooperation mit den Univer- sitäten eingegangen  
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