Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Feldforschungsbericht Bali März 2009 bis März 2010

Feldforschungsbericht Bali 2009/2010
Fieldwork Report Bali 2009-2010.pdf (286,6 KB)  vom 26.01.2011

Strategies in water rights disputes.
The resolution of water rights conflicts in the legal plural context of the Balinese paddy cultivation

von Sophie Strauss

Im Rahmen meines Dissertationsprojektes im Fach Ethnologie ermöglichte mir die Graduiertenschule Society and Culture in Motion der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zwischen März 2009 und März 2010 einen Feldforschungsaufenthalt in Bali (Indonesien) als empirische Basis der Dissertation.

Hintergrund:
Das Projekt beschäftigt sich mit Konflikten um Wasserressourcen, welche insbesondere mit der seit den 1980er Jahren intensiven und auch heute weiter fortschreitenden massentouristischen Entwicklung der 5620 km² großen Insel im indischen Ozean zusammenhängen. Im Jahre 2008 besuchten rund 2 Mio internationale Touristen das tropische „Ferienparadies“, das etwa 3,5 Mio Einwohner zählt (Badan Pusat Statistik Propinsi 2010).

In einer multi-lokalen Feldforschung untersuchte ich eine Vielzahl von Konfliktfällen um Wasserressourcen, bei denen u.a. balinesische Bewässerungsgemeinschaften, Privathaushalte, transnationale private Wasserfirmen, staatliche Wasserversorgungsunternehmen und touristische Einrichtungen als Akteure auftraten. Insbesondere befasste ich mich mit der Planung sog. „nachhaltiger“ Tourismusprojekte am Ufer zweier eng benachbarter Vulkanseen in einer nördlichen Bergregion Balis (Buleleng). Als Antwort auf den weltweiten Trend des Natur- und Ökotourismus sind „naturbelassene“ Gebiete, v.a. Seen, Flüsse  und Wälder, welche von der starken massentouristischen Entwicklung der kleinen Insel bislang ausgenommen blieben, bei Tourismusinvestoren derzeit sehr begehrt. Konkrete Pläne zur Vermarktung des Seeuferareals für sogenannten „Öko-Kultur-Urlaub“ oder „spirituellen Tourismus“ treffen jedoch in weiten Teilen der Bevölkerung auf starken Widerstand, besonders aus religiösen und gewohnheitsrechtlichen Gründen. Das Projekt verbindet die theoretische Auseinandersetzung mit den Debatten um den aktuellen Nachhaltigkeitstrend in der Tourismusbranche und die zunehmenden Dispute um die Ressource Wasser mit der Thematik verschiedener nebeneinander existierender, ineinander greifender und einander z.T. widersprechender Rechtssysteme in der Aushandlung des Disputes. Dabei ging es speziell um die Frage, welche Argumente und Strategien verschiedene am Konflikt beteiligte Personen und Gruppen nutzten und welchen Zugang sie zu sog. rechtlichen „Sphären“ hatten.

Die Region als wichtiges Wassereinzugsgebiet

Die Seen sind als zwei der insgesamt vier Süßwasserreservoirs und der umgebende Schutzwald als essentielles Wassereinzugsgebiet von zentraler überregionaler Bedeutung für die Wasserversorgung in Landwirtschaft, Industrie und Haushalten. Eine touristische Entwicklung der beiden Seen, die bislang als einzige der wirtschaftlichen Nutzung in Landwirtschaft und Fischfang bzw. als Wasserquelle für Haushalte vorbehalten blieben, rief in der gesamten Provinz Proteste und die Sorge hervor, dass dies zur Störung des Wasserhaushaltes und besonders des Bewässerungsanbaus der von den Seen abhängigen Bauerngemeinschaften in Süd- und Nordbali führen könnte. Es kam zu öffentlichen Protesten, mit stark verhärteten Fronten. Im Mittelpunkt der Forschung stand seitdem die Analyse des Widerstandes gegen großräumige Tourismusprojekte in der Region. Ich untersuchte, in welchen Arenen die Tourismusentwicklung von Befürwortern bzw. Gegnern verhandelt wurde, sowie den strategischen Einsatz von Argumenten (u.a. aus den Bereichen Religion, adat, Umweltschutz, Ökonomie, Geschichte, Politik), welcher von den verschiedensten Gruppen und Akteuren ausgeübt wurde. Dabei wurde auf das Ineinanderspielen verschiedener rechtlicher Ordnungen innerhalb des Staates Indonesien unter den Bedingungen der Dezentralisierung eingegangen.

Religion und Adatrecht

Die Seen, natürliche Quellen und die Vielzahl der mit ihnen verbundenen Tempel im Waldgebiet stellen eine wichtige Pilgerstätte für Hindus aus weiten Teilen Balis dar. Zudem werden sie als zugehörig zu einem vorkolonialen balinesischen Königtum und damit eine kommerzielle Nutzung durch externe Investoren im großen Rahmen als unzulässig betrachtet.

Adat und Religion wurden von den nebeneinander existierenden rechtlichen Sphären auf Seiten der Tourismuskritiker und der protestierenden Lokalbevölkerung im Konflikt um die Seen am stärksten betont, unterstützt von Experten in Umwelt- und Rechtsfragen durch Argumente der offiziellen Rechtssphäre. So ließ sich eine starke Verwobenheit von Religion, adat, Umweltrecht und Raumplanungsrecht in der Argumentation feststellen.

Die Forschungsbasis befand sich zwischen den beiden Seen und konzentrierte sich v.a. auf die beiden an den Seen gelegenen Orte Pancasari (Buyan) und Munduk (Tamblingan). Für die Forschung ebenso wichtig waren jedoch Aufenthalte in der Distriktshauptstadt Singaraja, der Provinzhauptstadt Denpasar, einem gewohnheitsrechtlichen Verbund von Dörfern, die ihren gemeinsamen Ursprung auf das vorkoloniale Königreich am Tamblingan zurückführen, sowie im Süden liegenden Touristenorten, die ein Zentrum für am Konflikt beteiligte Organisationen wie im Umweltschutz beteiligte NGOs darstellen.

Rechtlicher Rahmen – Das Gesetz RTRWP

Während der ersten Hälfte meiner Feldforschung lag ein Schwerpunkt auf der über mehrere Monate hinweg stattfindenden Debatte um den Entwurf zur  Regierungsverordnung Nr. 16/ 2009 über die Raumplanung der Provinz Bali 2009-2029 (Perda No. 16/ 2009 tentang Rencana Tata Ruang Wilayah Propinsi Bali Thn. 2009-2029), eine Umsetzung der nationalen Gesetzesversion UU RI No. 26 / 2007 zur Raumplanung auf Ebene der Provinz Bali.  Durch sie sollte der Rahmen für die Raumnutzung und touristische Entwicklung Balis und damit auch für die Land- und Wasserressourcen der gesamten Insel entsprechend des balinesischen Raumkonzeptes gesteckt werden. Die Verhandlungen und die öffentliche Debatte um dies Gesetz, welche besonders in den Medien wie BaliPost, Jawa Post und Radar Bali sowie Bali TV täglich aufgenommen wurde, zeigten den Prozess der Dezentralisierung im Bereich des Nutzungsrechts natürlicher Ressourcen, besonders von Wasser und Land, auf und konzentrierte sich immer wieder auf die Frage einer speziell „balinesischen“ Version des Rahmengesetzes, in die insbesondere Elemente des balinesischen Hinduismus und des adat-Rechtes mit seinem spezifisch balinesischen Raumkonzept einfließen sollten. Dabei geht es insbesondere um Bauverbote in einem bestimmten Radius um Tempel  von nicht nur lokaler Bedeutung herum, oder auch an Seen, Flüssen, Quellen, Bergen, an Naturphänomenen mit ökologischer und spiritueller Bedeutung. Im Laufe der Debatte war die touristische Entwicklung der Region Buyan-Tamblingan das prominenteste Fallbeispiel öffentlicher Proteste nicht nur der Lokalbevölkerung. Gegner der Tourismusprojekte sahen hier Verstöße sowohl gegen das offizielle als auch gegen das adat-Recht auf die Region zukommen. Während der laufenden Debatte führte ich Interviews mit an Beratungsgremien beteiligten Politikern, Wissenschaftlern und Mitarbeitern von NGOs, am Tourismusgeschäft der Region  Beteiligten sowie mit der betroffenen Lokalbevölkerung.

Methoden

Für die Dokumentation und spätere Analyse der Strategien und Interaktionen der einzelnen Akteure bzw. Akteursgruppen verwendete ich qualitative ethnographische Inter­views und eine Vielzahl von Techniken, die unter dem Sammelbegriff „teilnehmende Beobachtung“ zusammengefasst werden. Diese beiden Methoden kamen mit den verschiedensten Gruppen und Personen zum Einsatz: Bauern, Priestern, Würdenträgern des adat-Rechtes, Regierungsrepräsentanten und Vertre­tern des offiziellen administrative Apparates z.B. der Tourismus-, Forst- und Na­turschutzbehörden, Historikern, NGOs, Naturschützern und Umweltaktivisten, Agrarexperten, Touristen und im Tourismusgeschäft Beschäftigten, in adat-Treffen, bei landwirtschaftlichen Aktivitäten, während zahlreicher  religiöser Zeremonien, Pilgerfahrten und privaten Treffen mit Informanten, auf lokaler Ebene im Zusam­menhang mit dem Bewässerungsanbau, Hortikultur, Gewässer- und Waldschutz, Fischfang und der Wasserversorgung von Haushalten der Region. Experteninter­views waren eine wichtige Methode, besonders solche mit Experten des adat-Rechts und der Religion (Priester, adat-Würdenträger)der Region Buyan-Tamblingan. Um jedoch nicht nur die z.T. polaren Perspektiven der direkt am Konflikt beteiligten Experten zu erfassen, spielte der Kontakt zur Bevölkerung in langen Gesprächen, Interviews und durch die Teilnahme an Alltagsaktivitäten von der Lokalbevölkerung an den Seen, die v.a. als Bauern, Fischer und Händler ihren Lebensunterhalt bestreiten, aber auch zum Teil Einkünfte aus dem Tourismus ha­ben, eine entscheidende Rolle. Interviews führte ich zumeist in indonesischer Sprache. Religiöse Zeremonien und adat-Veranstaltungen fanden in balinesischer Sprache statt, zu deren Erwerb am Anfang der Feldforschung ein Kurs an der Universitas Udayana in Denpasar besucht wurde. Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem offiziellen Rechtssystem (von Regierungsbehörden organisierte Treffen im Zu­sammenhang mit Landwirtschaft, Fischfang u.ä.) fanden meist in indonesischer Sprache bzw. in beiden Sprachen statt.

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