Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

SCM_LOGO_2015hp.jpg

Weiteres

Login für Redakteure

Frieden versus Krieg in prophetischen Aussagen des Alten Testament

von Catalin Vatamanu

Das Thema, das wir im Folgenden diskutieren wollen, lautet: Frieden versus Krieg in prophetischen Aussagen des Alten Testament. Um die Beispieltexte Micha 4 und Joel 4 zu verstehen, ist eine kurze Darstellung des politischen Hintergrundes notwendig, in dem die zwei Prophetien verfasst worden sind.

Geopolitisch bilden Syrien-Palästina ein Scharnier zwischen den Großreichen des Alten Orient an Euphrat und Nil. Aus dieser Lage ergeben sich Vorteile und Nachteile. In Friedenszeiten kann dieses Gebiet sozial und kulturell an der Errungenschaften Ägyptens und Mesopotamiens partizipieren. Im Fall militärischer Expansion oder des Krieges werden Israel wie Juda häufig zum Aufmarschgebiet großer Kriegheere oder dienen den Großreichen als Basis für kriegerische Unternehmnungen. Hinzukommen auch schlichte Raubzüge der Großen, die von den kleinen Nationalstaaten kaum abgewehrt werden können. Von daher stehen die hebräischen Begriffe für "Frieden" (shalom) und "Krieg" (milchama) in enger Beziehung zur Idee einer politischen Befreiung.

Die hier zu diskutierenden Texte, Micha 4 und Joel 4, widerspiegeln solche Erfahrung. Wenn auch in verschiedenen Jahrhunderten formuliert, setzen beide eine außenpolitische Bedrohung voraus. Interessant dabei ist, dass sie die Möglichkeit von Krieg und Frieden im Kontrast zueinander entwickeln.

Der Michatext, der im Jesajabuch (Kap.2) eine Parallele hat, setzt wahrscheinlich die Zeit und damit die Erfahrungen assyrischen Bedrohung des 8. Jh.v.Ch. voraus. Die Erfolge des assyrisches Großkönigs Tiglatpileser III. (744-727) in Mittelsyrien (738) und an der Mittelmeerküste bis zum südlichen Gaza (734) bedrohen die kleinen mittelpalästinischen Staaten. Rasyan von Syrien (742-732) und Pekah von Israel (735- 732) versuchen, eine anti-assyrische Koalition unter Beteiligung Judas und Jerusalems zu organisieren. Ahaz (742/741-726), der König Judas, weigert sich und unterstellt sich freiwillig den Assyrern als Tribut zahlender Vasall. Auf diesem Hintergrund ist der prophetische Aufruf zum Frieden zu verstehen. Eine militärische Koalition gegen Syrien würde das politische Ende Judas bedeuten, so wie es sich zirka 10 Jahre später beim Fall von Samaria 722 für Israel ereignet hat. Dank dieser Politik überlebt Juda den "Bruderstaat" im Norden um mehr als einhundert Jahre und erzielt für einige Zeit auch politischen Vorteil aus diesem Konflikt.

Die Auffassung vom Frieden in diesem Text geht aber weit über ein politischdiplomatisches Geschick hinaus. Sie gründet in der Überzeugung, dass der Gott Jerusalems seinen Wohnort und sein Volk selbst beschützt. Nachdem es 701 dem assyrischen Großkönig Sanherib nicht gelang, Jerusalem trotz langer Belagerung einzunehmen, hat sich dieser Glaube noch verstärkt. In diesem Text geht die Vorstellung so weit, dass die Weisung und Lehre des Gottes von Jerusalem die gesamte Völkerwelt davon überzeugen kann, auf Waffen und kriegerische Ausbildung völlig zu verzichten. Die sich daraus entwickelte Zionstheologie ist dann in verschiedener Form auch in den Psalmen tradiert worden.

Im Blick auf die Rhetorik setzt Joel 4 nicht nur die prophetischen Texte von Micha und Jesaja voraus, sondern scheint eine Reaktion auf diese Aussagen zu sein. Zeitlich ist dieser Text schwerer zu datieren. Einige Forscher denken an die nachexilische Zeit des 5. Jh. Wahrscheinlich entstammt er aber erst der hellenistischen Zeit des 4.-2. Jh.v.Ch., in der die Ptolemäer und Seleukiden um die Vorherrschaft im palästinischen Raum kämpften. Konträr zu Micha und zu Jesaja werden nicht näher bestimmte Adressaten aufgerufen, ihre Arbeitswerkzeuge wieder in Waffen zu verwandeln und sich bis zum schwächsten Glied dem Krieg zu weihen.

Das erste Teil des Textes liest sich aus seinem näheren Kontext heraus wie eine reine Kriegpropaganda. Erst der zweite Teil lässt das Ziel erkennen. Die kriegsbereiten und kriegswütigen Völker sollen zu einem großen Gericht versammelt werden. Bei diesem wird ihnen das Urteil gesprochen, wobei unausgesprochen bleibt, wie die neue Konstellation unter den vorderorientalischen Völkern dann aussehen wird.

Das Bild des Friedens und die Kriegmetaphorik werden in beiden Texten durch gleiche symbolhafte Begriffe (Schwert und Pflugschar, Winzermesser und Speer) dargestellt. Die Form der Rhetorik lässt deshalb die Frage stellen, welche Perspektiven sich daraus für das Thema Frieden versus Krieg in prophetischen Aussagen des Alten Testament ergeben.

Zum Seitenanfang