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Prof. Dr. Christian Papilloud (Sprecher)

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Forschungsthemen

Aktuelle Arbeitsbereiche und Sprecher

Aktuelle Arbeitsbereiche und Sprecher

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Warum bewegen sich Gesellschaft und Kultur? Diese allgemeine Leitfrage des Forschungsschwerpunktes wird mit den drei Leitkonzepten Techniken der Zukunftsherstellung, Krise und Translation untersucht. Moderne und postmoderne Vergesellschaftungen zeichnen sich durch die Entwicklung einer Vielzahl von Techniken der Zukunftsherstellung aus: Pläne, Projekte, Prognosen, Benchmarks, Indikatoren, Gewinnerwartungen, um nur einige dieser Techniken zu nennen, vergrößern den „Schatten der Zukunft“ für aktuelle Handlungen. Über die antizipative Erschließung der Zukunft in der Gegenwart mittels spezifischer Techniken und Praktiken, wurden moderne Vergesellschaftungen wirkmächtiger und ihr Komplexitätsgrad stieg. Während im 18. und 19. Jahrhundert diese Prozesse trotz heftiger Irritationen und „romantischer“ Widerstände überwiegend als fortschreitend rationalisierender Prozess einer zunehmenden menschlichen Weltbeherrschung gedeutet wurden, nahm im 20. und 21. Jahrhundert die kollektive Erfahrung problematischer Folgen, aber auch nicht vorhergesehener Innovationen in diesem Prozess zu.

Die Wahrnehmung von erschütternden Folgen von Techniken der Zukunftsherstellung ist eng verknüpft mit dem Krisenbegriff. Gesellschaftlich und kulturell potentiell breitflächig destruierende Finanzmarktkrisen, Verschuldungskrisen, demografische und ökologische Krisen akzentuieren, dass periodisch erwartungsprägende Zukunftsentwürfe mit realen Entwicklungen konfrontiert werden und katalytisch readjustiert oder selbstdynamisch zu Strukturkrisen verstärkt werden. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Forschungsschwerpunktes liegt in der genauen Rekonstruktion des Zusammenhangs von Techniken der Zukunftsherstellung und Krisen, da nicht selten Krisen direkte Folgen von Techniken der Zukunftsherstellung sind, aber letztere auch immer wieder als Instrumente der Krisenbewältigung entwickelt werden.

Als eine der folgenreichsten Techniken der Zukunftsherstellung haben sich (epistemische, praktische, artefaktzentrierte) Modelle erwiesen. Diese Modelle zirkulieren verstärkt in den letzten zwei Jahrhunderten und prägen damit einen weltgesellschaftlichen und weltkulturellen Zusammenhang. Während modernisierungstheoretisch von einer Diffusion dieser Modelle ausgegangen worden ist, kann man empirisch feststellen, dass viele Modelle im Prozess ihrer lokalen Übernahme verändert werden. Diese „Translation“ von Praktiken, Wissen und Artefakten stellt selbst ein wichtiges Moment der Konstitution von häufig nicht-intendierten sozialen Innovationen dar, die ihrerseits wieder anregend für soziale Praktiken an anderen Orten der Welt werden. Ein in diesem Sinne translokal weitertragendes Medium bildet das Recht. Teils bietet es, vor allem im Völkerrecht, im Europarecht und im internationalen Wirtschaftsrecht, von vornherein auf Grenzüberschreitung angelegte Konzepte und Modelle; teils erweisen sich Regelungsansätze als so überzeugend, dass sie, oft nach lokaler Adaption, anderswo übernommen werden. Exemplarisch sei hier nur auf Untersuchungen des Forschungsschwerpunktes zu Modellen der „Versöhnung“ nach gesellschaftlichen Katastrophen wie Genoziden verwiesen, bei denen in Europa entstandene Nachkriegsmodelle in afrikanischen Kontexten einer Translation unterzogen wurden und in dieser Version in Lateinamerika readaptiert wurden. Die internationale und interdisziplinäre Fokussierung des Forschungsschwerpunktes ermöglicht hier die Untersuchung sowohl „befremdlicher“ Kulturerfahrungen von gesellschaftlichen Katastrophen als auch die ethnologische, juristische und philosophische Analyse sozialer Translation in verschiedenen Ländern.

Das Forschungsprogramm zielt daher auf eine Analyse von Techniken der Zukunftsherstellung ab, um einen schärferen Blick auf nichtintendierte Krisenfolgen dieser Techniken wie auch auf innovative Translationen dieser Techniken und Modelle zu erhalten.

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