Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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André Hertrich M.A., MA

André Hertrich

André Hertrich

Doktorand (Stipendium 07/2012 - 09/2012)

Betreuer: Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost; PD Dr. Dorothée de Nève

Dissertationsprojekt: Militärische Erinnerungspolitik der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte im Spiegel ihrer musealen Selbstrepräsentation

Im Juni 2007 öffnete das Heer der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte (GSDF für Ground Self-Defense Force) nach Umbaumaßnahmen sein historisches Museum namens Hokuchin Kinenkan in einem modernen, neuerrichteten Gebäude für die breite Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu offiziellen Verlautbarungen, welche die Diskontinuität der heutigen GSDF und des Vorkriegsmilitärs betonen, liegt das Hauptaugenmerk der Ausstellung in Asahikawa auf der Geschichte der 7. Division des Kaiserlich-Japanischen Heeres (KJH) und den Kriegen,  in denen die Soldaten kämpften. Diese Tatsache bezeichnet eine neue Entwicklung für die GSDF und deren Bemühen, ein positives Image in der japanischen Öffentlichkeit zu schaffen. Während die gegenwärtige Marine (MSDF für Maritime Self-Defense Force) nie ihre enge Verbundenheit zur Vorgängerin, der Kaiserlich-Japanischen Marine (KJM), versteckte, stellt das Museum in Asahikawa ein Novum innerhalb der GSDF dar.

In meinem Forschungsprojekt untersuche ich, wie die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte in ihren öffentlich zugänglichen Museen die Geschichte der japanischen Streitkräfte und deren Erfahrungen während des Asiatisch-Pazifischen Krieges (1931-1945) präsentieren. Dabei richte ich meinen Fokus auf die museale Darstellung von individuellen Soldaten und Offizieren, Schlachten und Gefechte, sowie des militärischen Alltags. Indem diese Museen die Geschichte des modernen japanischen Militärs ausstellen, wird nicht nur eine gewisse Kontinuität zwischen dem Vorkriegsmilitär und deren Nachfolgerinnen postuliert. Vielmehr beziehen diese Museen auch Stellung zur Erinnerung an Japans problematische Vergangenheit sowie den öffentlichen Debatten um Kriegsschuld und Kriegsverbrechen. Ziel meiner Arbeit ist es, diese Positionen herauszuarbeiten und zu identifizieren. Darüber hinaus möchte ich den Motivationen und Absichten nachspüren, die die Offiziere der Selbstverteidigungsstreitkräfte, sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und der umliegenden Gemeinden zu ihrer Mitarbeit an den Museen veranlasst.

Methodisch basiert meine Forschung auf der sogenannten "historischen Museumsanalyse" nach Thomas Thiemeyer. Mit diesem Ansatz werden historische Museen mit den Mitteln der historischen Forschung, insbesondere der Quellenanalyse, untersucht. Dabei werden die Ausstellungen in den Museen wie historische Quellen "gelesen" und hinsichtlich Autorenschaft, äußere Form, Aussage, Intention, Rezipient, etc. ähnlich analysiert. Anders als bei geschriebenen Quellen muss man bei der Museumsanalyse verschiedene Schichten berücksichtigen, etwas das Gebäude, Ausstellungsobjekte, Fotos, Gemälde, Erklärungen, Museumsführungen, Kataloge oder Internetauftritte. Zudem gibt es nicht nur eine AutorIn, da Ausstellung durch eine Vielzahl von Mitwirkenden geschaffen werden, so z.B. KuratorInnen, MuseumsdirektorInnen, Mitglieder des Planungskomitee, DesignerInnen, SpenderInnen oder MuseumsfüherInnen. Deshalb beinhaltet die Museumsanalyse auch eine Reihe verschiedener Forschungsmethoden, wie etwa Interviews, Text- oder Objektanalysen.

Die empirische Basis meiner Untersuchung stellen drei Museen dar, die von den Selbstverteidigungsstreitkräften bzw. dem Verteidigungsministerium betrieben werden. Aus einer Vielzahl von Militärmuseen der drei Teilstreitkräfte, die ich besucht hatte, wählte ich die folgenden drei Museen (von insgesamt ca. 130 Militärmuseen): Das bereits erwähnte Museum Hokuchin-Kinenkan in Asahikawa, Ichigaya-Kinenkan auf dem Gelände des Verteidigungsministerium in Tôkyô, sowie das Marinefliegermuseum in Kanoya auf Kyûshû. Während das Museum in Asahikawa die Kolonialisierung Hokkaidôs und das Werden und Vergehen der 7. Division (KJH) in den Mittelpunkt stellt, konzentriert sich das Museum in Kanoya auf die Geschichte der Marinefliegerei und der tokkô-Piloten (auch bekannt als kamikaze). Dem gegenüber stellt das Museum Ichigaya-Kinenkan selber eine historische Stätte dar. Während des Krieges war dort das Heeresministerium untergebracht, später fand dort das Internationale Militärtribunal für den Fernen Osten (Tokioter Prozess) statt. Folglich werden dort Vorkriegsereignisse und das Tribunal betont.

Mit meiner Untersuchung möchte ich die Art und Weise beleuchten, in der diese Museen in ihren öffentlichen Ausstellungen die Erinnerung an den Krieg interpretieren und beeinflussen, und hoffe dadurch, weitere Erkenntnisse über den schwierigen Umgang des japanischen Militärs mit seiner kriegerischen Vergangenheit zu gewinnen.

Akademischer Werdegang

07/2012-
10/2012
Promotionsstipendium der Graduiertenschule "Gesellschaft und Kultur in Bewegung" (Martin-Luther Universität, Halle-Wittenberg)
10/2008-
09/2011
Promotionsstipendium des Internationalen Graduiertenkollegs „Formenwandel der Bürgergesellschaft in Japan und Deutschland im Vergleich“ der Universitäten Halle und Tôkyô. (Martin-Luther Universität, Halle-Wittenberg)
07/2009Master of Arts in Friedens- und Konfliktforschung (Philipps-Universität, Marburg).
Masterarbeit: "Die Bedeutung des Semarang-Falles in der erinnerungspolitischen Debatte um ‚comfort women‘ in Japan"
09/2004-10/2005Promotionsstipendium und Forschungsaufenthalt am Deutschen Institut für Japanstudien (Tôkyô)
07/2003Magister Artium in Neuere und neueste Geschichte, Japanologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Ludwig-Maximilians-Universität, München).
Magisterarbeit: "Vergleich der Wiederbewaffnung in der Bundesrepublik Deutschland und Japan"

Veröffentlichungen

2013"Bringing Back the Good Times. Managing Nostalgia and Memories of Harmonious Civil-Military Relations in a Garrison Town" in: Seaton, Philip (Hg.): Local History and War Memories in Japan (in Vorbereitung)
2013"Wann beginnt Zwang? Fälle von Zwangsprostitution durch das japanische Militär vor niederländischen Kriegsverbrechertribunalen" in: Gestwa, Klaus und von Lingen, Kerstin (Hg.): Zwangsarbeit und Krieg. Überlegungen zu einem strukturellen Phänomen bewaffneter Konflikte von der Antike bis heute in Europa und Asien (in Druck)
2012"’Man kann nicht erwarten, dass japanische Soldaten ihr Leben für die Demokratie geben’ Die japanische Wiederbewaffnung 1950-1954 und die Frage eines neuen Tugendkatalogs für die Selbstverteidigungsstreitkräfte" in: Pöhlmann, Markus und Zimmermann, John (Hg.): Ehre und Pflichterfüllung als Codes militärischer Tugenden, Paderborn (vsl. Sommer 2012)
2008"A Usable Past? Historical Museums of the Self-Defense Forces and the Construction of Continuities" in: Saaler, Sven and Schwentker, Wolfgang (Eds.): The Power of Memory in Modern Japan, Folkstone, 2008

Vorträge (Auswahl)

2011"Bringing Back the Good Times: Managing Nostalgia and Memories of Harmonious Civil-Military Relations in a Garrison Town", 13th International Conference of the European Association for Japanese Studies, Tallinn
2011"Der Semarang‐Fall als Beispiel für die Zwangsprostitution von Frauen und Mädchen durch das japanische Militär während des Asiatisch‐Pazifischen Kriegs (1931‐1945)", Zwangsarbeit als Waffe. Jahrestagung des Arbeitskreises Militärgeschichte, Freudenstadt
2009"Militärische Erinnerungskultur der Selbstverteidigungsstreitkräfte im Spiegel ihrer musealen Selbstrepräsentation", 14. Deutschsprachiger Japanologentag, Halle (Saale)
2009“The Batavia Trials in the Context of the ‘Comfort Women’ Issue”, Konferenz: “War Crimes: Retrospectives and Prospects”, London
2007"Tödliche Kirschblüten. Kamikaze-Darstellungen in japanischen Militärmuseen", Jahrestagung des Arbeitskreises Militärgeschichte, Berlin
2007"Military History and Memories in Japan's Post-War Armed Forces", Deutsches Institut für Japanstudien (Social Science Study Group), Tôkyô
2006"Jieitai Museen als Erinnerungsorte", 13. Deutschsprachiger Japanologentag, Bonn
2005"The Japanese Selfdefense Forces and the Past. Military Museums and History" 11th International Conference of the European Association for Japanese Studies, Wien
2004"The Japanese Rearmament in the 1950s: Continuities and Discontinuities", SEAS Postgraduate Inter-disciplinary Conference in East Asian Studies, Sheffield

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